Panamericana Etappe 6: Bahia San Augustin nach San Cristóbal de Las Casas

Wir starten den ersten Tag nach unserer Pause auf Grund der Hitze sehr früh. Wir kommen trotz sandigem Boden flott vorwärts, und es fühlt sich gut an wieder in die Pedale zu treten. Gegen Mittag möchten wir uns in einer Laguna abkühlen, hier gefällt es uns jedoch so gut, dass wir direkt entscheiden eine Nacht zu bleiben. Bei 50 Pesos (ca. 2,5 €) Gebühr und schöner Umgebung brauchen wir nicht lange überlegen.

Am Strand fällt mir dann beim Stöbern auf, dass wir tatsächlich nicht wie erwartet ein 90-Tage Visum bekommen haben, sondern lediglich 40! Nun bleiben uns noch 10 Tage um an die Grenze zu kommen. Machbar, aber doch etwas zügiger als gedacht. Beim Baden lernen wir Mauro kennen, ein mexikanischer Skimboarder. Ein klassisch-cooler Surfertyp, der mir seinen Sport erklärt und mich auch mal ranlässt. Trotz Snowboarderfahrung scheitere ich jedoch kläglich.

Zurück am Campingplatz werden wir von einer Vielzahl an Vögeln überrascht, und mir gelingen einige meiner Lieblingsfotos bisher. Besonders der bunte Vogel, ein Braunscheitelmotmot, gefällt mir richtig gut. Nachts werden wir sogar von einem Waschbären besucht.

Auch am nächsten Tag geht es wieder früh los, zum einen weil wir gestern faul waren, zum anderen weil wir nun ein bisschen Druck haben wegen des auslaufenden Visums.

Nach nur ca. 5 Kilometern bekomme ich jedoch wieder Besuch von meinem Endgegner: Das Pedal fällt ab, und lässt sich nicht ohne weiteres befestigen. Stimmung bestens.

Nun heißt es erstmal 10 Kilometer schieben, sodass wir an der nächsten richtigen Straße eine Mitfahrgelegenheit finden können. Der Plan ist, in 150 Kilometern einen Warmshower Host zu erreichen, die können einem immer helfen. Die Stimmung steigt, als wir nach 20 Minuten von einer super netten mexikanischen Familie mitgenommen werden. Nachdem wir ca. 80 Kilometer näher am Ziel abgesetzt werden, verlässt uns jedoch das Glück und wir müssen schlussendlich in einem Autobahnhotel übernachten.

Das Ziel für den Tag heißt nun San Cristóbal de Las Casas. San Cristóbal de Las Casas ist mit knapp 300.000 Einwohner und schöner Altstadt die inoffizielle Hauptstadt des Bundesstaat Chiapas, und gilt als touristisch. Hier erhoffen wir uns eine professionelle Fahrradreparatur, außerdem sind wir dann auf 170 Kilomater an der Grenze zu Guatemala. Wir haben morgens direkt Glück, und wie werden von einem Pickup ca. 100 Kilometer näher ans Ziel gebracht.

Die Straße auf der wir uns nun befinden ist die Hauptroute der Flüchtlinge, die von Südamerika, Zentralamerika und der Karibik in die Vereinigten Staaten möchten. Theoretisch wussten wir über die Problematik/ das Thema, es mit eigenen Augen zu sehen hat uns jedoch plötzlich sehr beschäftigt.

Konkret heißt es, dass wir nun im Auto an hunderten Menschen vorbeifahren, die zu Fuß Richtung Norden pilgern. Häufig in größeren Gruppen (sogenannten Caravans), manchmal als Familienverbund, und ab und zu ganz alleine. Die Flüchtenden haben ausschließlich nur einen kleinen Turnbeutel als Gepäck für die Tausende Kilometer umfassende Reise.

Die Mehrzahl der Flüchtenden kommt aus Südamerika, vor allem Venezuela. Alleine in der extrem gefährlichen Darien-Region zwischen Kolumbien und Panama wurden im Jahr 2023 über 520,000 Menschen registriert, ein Anstieg von über 110% zum letzen Jahr.

Mixed Movements Monitoring UNHCR 2023

Mixed Movements Monitoring UNHCR Dezember 2023

Mixed Movements Monitoring UNHCR Dezember 2023

Die mexikanische Bevölkerung darf den Flüchtenden per Gesetz nicht helfen, vor allem nicht indem sie Flüchtende im Auto mitnehmen. Bei Missachten der Regel, kann man als Schleuser für viele Jahre im Gefängnis landen. Das Gesetz wir streng überwacht, wir sehen hier nun stündlich Polizeikontrollen, komplett bewaffnet mit Maschinengewehren und Militärequipment.

Während die Mexikaner also an den Flüchtlingen, welche bei 35°C mit Babywagen auf der Landstraße wandern vorbeifahren müssen, dürfen wir mitgenommen werden und bekommen freundliche Grüße von der Polizei. Es ist unfassbar unfair und traurig.

Wir werden per Zufall von unserem Helfer am absoluten Flüchtlichgs-hotspot rausgelassen, der Stadt San Pedro Tapanatepec. Die Kleinstadt ist mit Zelten und anderen Provisoria geflutet, die Straßen voll mit umherziehenden und bettelnden Flüchtenden. Es besteht keine konkrete Gefahr, hier werden wir doch häufiger angesprochen, nach Geld gefragt, angefasst oder gefragt wie teurer unser Fahrrad ist.

In San Pedro Tapanatepec stranden wir für einige Stunden und werden von niemandem mitgenommen. Fair enough, die Leute sind skeptisch und fürchten Repressalien durch die Polizei, selbst ein Bus fährt an uns vorbei weil er uns für Flüchtende hält. Vollkommen pervers, aber die lokalen Mexikaner empfehlen uns mit unserem europäischen Reisepass am Strassenrand zu winken, um mitgenommen zu werden.

Wir nehmen schlussendlich 3 verschiedene Busse, und kommen um 11 Uhr abends in San Cristóbal de Las Casas an. Eigentlich würden wir heute unser 1-monatiges feiern, jedoch sind wir viel zu ko und die Eindrücke der letzen beiden Tage beschäftigen uns sehr.

Ehrlicherweise sind wir froh, dass wir mit Ankunft in San Cristóbal der Situation physisch erstmal den Rücken kehren können. Dennoch ist der Kopf aktuell noch in Tapanatepec, beim Schicksal der Flüchtenden, bei dem Einfluss der Thematik auf unsere Reise, Gedanken wie man helfen kann, etc.

Eventuell fühle ich mich bald ausreichend informiert um etwas mehr zu dem Thema zu schreiben.

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Panamericana Etappe 7: San Cristóbal de las Casas nach Quetztaltenango

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Panamericana Etappe 5: Bahia San Augustin