23: Bolivien Sur Lípez
Die Erfahrung in der Salzwüste war etwas ganz Besonderes, allerdings nur eine Einstimmung auf das Abenteuer, das nun folgen soll. Wir haben uns eine Route durch Boliviens Sur-Lípez-Region vorgenommen – eine menschenleere Landschaft mit Vulkanen, farbigen Berglagunen, Geysiren und wilden Felsformationen. Und das alles auf über 4000 Metern Höhe, inklusive unserem Höhenrekord von bis zu 4950 Metern.
Für die insgesamt knapp 450 Kilometer von Uyuni nach San Pedro de Atacama in Chile planen wir mehr oder weniger 10 bis 12 Tage ein. Ich bin sehr gespannt, wie die nächsten Tage verlaufen werden, denn ich habe die Sur-Lípez-Region bereits im Jahr 2020 durchquert und war restlos begeistert. Damals allerdings mit einem Touranbieter in einem SUV. Selbstverständlich wird es dieses Mal etwas völlig anderes.
Die ersten beiden Tage können wir 200 Kilometer der Tour ganz entspannt auf einer neu angelegten Asphaltstraße hinter uns bringen.
An Tag drei jedoch wechselt der Untergrund: Zunächst geht es auf befestigten Schotter, und bereits gegen Ende des Tages fahren wir durch Sand. Das macht das Fahren natürlich deutlich anstrengender, und die erbarmungslose Sonne auf über 4000 Metern Höhe trägt ihr Übriges dazu bei. So legen wir uns am Nachmittag gerne mal zu einem kleinen Nickerchen unter einen schattenspendenden Felsen.
Die erste Nacht verbringen wir, völlig erschöpft, in einer kleinen Ruine. In dieser menschenleeren Landschaft wird uns beim Wildcampen definitiv niemand stören.
Überall können wir jedoch nicht schlafen, da jeden Tag ab etwa 16:00 Uhr nachmittags ein heftiger Wind zieht. Ohne entsprechenden Schutz würden uns die Zeltwände um die Ohren fliegen, und selbst mit unseren High-End-Schlafsäcken würden wir vermutlich frieren. Daher sind wir sehr froh, diese Ruine gefunden zu haben, und entscheiden uns, nicht einmal das Zelt aufzuschlagen, um den Sternenhimmel ungestört beobachten zu können.
Die Landschaft ist ein Traum, und wenn man sich genauer überlegt, wo man gerade ist und was in den nächsten Tagen bevorsteht, wirkt alles geradezu überwältigend.
Auch am nächsten Tag ist unsere Route für uns und unsere schmal bereiften Fahrräder kaum befahrbar. Der Boden ist extrem sandig, und unsere etwa 55 kg schweren Räder sinken tief ein. Zusätzlich zu unserer normalen Ausrüstung haben wir extra viel Essen und Trinken dabei.
Das bedeutet für uns, dass wir viel schieben müssen – eine anstrengende und oft sehr frustrierende Aufgabe. Noch frustrierender ist es allerdings, wenn man versucht zu fahren und nach zwei Metern direkt wieder stecken bleibt. Und so zieht sich das Ganze durch den gesamten Tag….
Wie man sieht, ist das Ganze nicht ohne, vor allem, wenn die Landschaft so weitläufig ist und man so langsam vorwärtskommt, dass man abends nach einem 10-stündigen Tag noch den Zeltplatz vom Morgen sehen kann.
Trotzdem ist es natürlich auch wunderschön! Immer wieder kommen wir an Lagunen vorbei, die durch Mineralien und Algen in den verschiedensten Farben schimmern, mit Namen wie Laguna Blanca, Laguna Verde und die größte von ihnen, Laguna Colorado. Diese Lagunen wären schon schön anzusehen, aber erst die Schwärme an Flamingos machen den Anblick wirklich besonders – sie haben hier ihre Nische auf über 4000 Metern gefunden. Wenn man den vorgegebenen Abstand einhält, kann man ihnen sogar ganz nah kommen.
Das war auf jeden Fall auch ein Highlight für mich – in aller Ruhe mit Stativ, Mikrofon, Teleobjektiv und ganz viel Zeit an einem einsamen und unwirtlichen Ort Fotos von Tieren zu machen. So müssen sich Tierfilmer die ganze Zeit fühlen. Was für Glückspilze!
Die restlichen Tage verlaufen ähnlich wie die Tage davor:
Bei Minusgraden am Morgen aus dem kuscheligen Schlafsack quälen, frühstücken, den ganzen Tag schieben oder langsam radeln und sich von den Landschaften begeistern lassen. Zeit, die Erlebnisse zu verarbeiten, gibt es gerade kaum, da wir uns bei schrumpfenden Essensvorräten auch ein bisschen an den Zeitplan von 10–12 Tagen halten müssen. Außerdem freuen wir uns auf eine warme Dusche und auf die sauerstoffreichere Luft in San Pedro de Atacama auf etwa 2500 Höhenmetern.
Wir lernen ein super nettes Schweizer Pärchen und einen lustigen Italiener kennen und radeln für einen Tag so gut wir können mit. Vor allem die Schweizer haben richtig dicke Reifen und können somit vergleichsweise einfach durch den Sand fliegen.
Täglich toppen wir unsere Bestenliste für das "beste Camping ever", und unsere Schlafsäcke halten uns auch bei -14 Grad und 10 % Luftfeuchtigkeit in der Nacht schön warm.
Irgendwann weicht der Sand wieder Schotter, welches das Ende unserer Route einläutet. Zum Abschluss kommen an einer besonderen Laguna vorbei – der Laguna Salada. Direkt am Rand der Lagune wird Heißwasser aus den Thermalquellen in Schwimmbecken geleitet, die wir vollkommen kostenlos und ohne eine weitere Menschenseele zu sehen, nutzen können. Das Wasser ist richtig schön warm, und man ist nur wenige Meter von den Flamingos entfernt. Nach so einer langen und anstrengenden Route natürlich eine absolute Wohltat. Das wollen wir so richtig ausnutzen und entscheiden uns, die Nacht hier zu verbringen, denn direkt nebenan befindet sich wieder eine kleine Ruine die uns vor dem Wind schützt.
Und ehe wir uns versehen, stehen wir plötzlich an der Grenze zu Chile. Scheinbar auch überraschend für die Grenzbeamten, die bei unserer Ankunft an der chilenisch-bolivianischen Grenze einfach noch nicht am Arbeiten waren. Gut, dass wir unsere Campingstühle dabei haben und so auf die Grenzöffnung warten können.
Für mich waren die letzten 10 Tage wirklich etwas ganz Besonderes. Ich habe mich sehr gefreut, wie positiv mein Körper auf diese extreme Erfahrung reagiert hat und auch, wie ich mit der mentalen Belastung klargekommen bin. Für mich war es jedenfalls 100 % wert, diese Route zu fahren, und ich bin mir sicher, dass Justas und ich es niemals vergessen werden.